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Übergewicht bei Kindern – Es bewegt sich etwas!

Bei der Untersuchung der zeitlichen Entwicklung von Übergewicht im Kindes- und Jugendalter machten Wissenschaftler des Universitätsklinikums in Ulm eine unerwartete Entdeckung: Seit der Jahrtausendwende ist der Anteil der Kinder mit Übergewicht in vielen Industrieländern zumindest gleich geblieben oder sogar gesunken. Für eine Entwarnung ist es aber noch zu früh …

In den 80er und 90er Jahren ist der Anteil der Kinder mit Übergewicht weltweit drastisch angestiegen, insbesondere in den Industrieländern. Noch 2008 wurde prophezeit, dass 20 Jahre später fast jedes dritte Kind in den USA fettleibig sein würde. Und auch in Europa nahm der Anteil der Kinder mit Übergewicht seit den 1980er Jahren deutlich zu. In letzter Zeit mehrten sich jedoch Hinweise, wonach ein weiterer Anstieg von Übergewicht im Kindesalter seit 2000 ausgeblieben ist.

Professor Martin Wabitsch und seine Kolleginnen Dr. Anja Moss und PD Dr. Katrin Kromeyer-Hauschild untersuchten nun in einer Übersichtsstudie die Entwicklung von kindlichem Übergewicht während der letzten 10 bis 15 Jahre. Im Rahmen ihrer Untersuchung fanden die Wissenschaftler Studien aus 16 Ländern, in denen von einer Verlangsamung oder sogar einem Rückgang in der Häufigkeit von kindlichem Übergewicht berichtet wird.

„Die Deutlichkeit des Trends für Deutschland und viele vergleichbare Länder wie die Schweiz, Frankreich, die USA oder Australien hat uns selbst erstaunt“, gibt Professor Wabitsch, Leiter der Sektion Pädiatrische Endokrinologie an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin in Ulm zu. Diese positive Entwicklung war international ausgeprägter bei Mädchen als bei Jungen sowie bei Kindern im Vorschulalter, verglichen mit Grundschülern und Jugendlichen.

Wie kommt es zu dieser Trendwende? Die Wissenschaftler haben mehrere Vermutungen: „Erste Studienergebnisse legen nahe, dass Aufklärung sowie bessere Ernährungs- und Bewegungsangebote tatsächlich wirken. Das ist für alle, die sich für gesünderes Essen in KiTas und Schulen, für mehr Sportunterricht, Grünflächen und Radwege einsetzen, eine gute Nachricht – denn ihr Einsatz lohnt sich“, erläutert Professor Wabitsch. Und seine Kollegin Dr. Moss ergänzt: „Tatsächlich gehen der Konsum zuckerhaltiger Getränke und die Fernsehnutzung in vielen Industrieländern offensichtlich leicht zurück, der Verzehr von Obst und Gemüse sowie die Dauer aktiver Freizeitgestaltung steigen dagegen.“

Doch für eine Entwarnung ist es noch zu früh. Nach wie vor sind Kinder heutzutage etwa dreimal so häufig übergewichtig als in den 1980er Jahren. „Die dauernde weitere Gewichtszunahme unserer Kinder scheint gestoppt, aber wir haben bereits ein erschreckendes Niveau erreicht: Unsere Kinder haben heute doppelt so viel Fettmasse wie den 80er Jahren“, betont Professor Wabitsch. Außerdem zeigte die Übersichtsstudie, so Wabitsch weiter, dass der positive Trend geringerer Gewichtszunahmen nur für Kinder mit vergleichsweise geringem Übergewicht gilt, während die Zahl der Kinder mit extremem Übergewicht weiter angestiegen ist.

Die bisherigen Studienergebnisse weisen für Wabitsch in eine eindeutige Richtung: „Wir müssen unsere Bemühungen verstärken, damit die offensichtlich möglichen positiven Effekte von besserer Ernährung und mehr Bewegung eines Tages zu einem wirklichen Rückgang von Übergewicht führen.“

Eine verstärktes Engagement zur Prävention von Übergewicht und Lebensstilinterventionen ist nicht nur in westlichen Industrieländern erforderlich, sondern insbesondere in ärmeren Ländern. Denn die Übernahme des westlichen Lebensstils ging auch dort mit einer Zunahme von Übergewicht und Fettleibigkeit bei Kindern einher. Dieser Trend ließ sich bisher noch nicht aufhalten.

Christina Bächle, Mai 2014